Ich will trainieren wie ein Mann – Laufen, laufen, laufen! Ich bin jahrelang gerannt wie eine Verrückte und Forrest Gump war ein Scheiß dagegen. Fünf Mal die Woche rannte ich mir 80 Minuten lang einen Wolf. Achtzig verdammte Minuten!!! Schlank? Ja. Straff? Fehlanzeige. Rückenschmerzen? Oh lord…
Text: Inga Weßling
Inhaltsverzeichnis
- „Kein Crosstrainer – Ich will trainieren wie ein Mann“
- „Halleluja! Endlich! Ihr Frauen müsst an die schweren Geräte – genau wie die Männer. Endlich schnallt ihr es!“
- „So, Inga, dann schauen wir mal, wie viel Kraft du schon hast!“
- „Erst mal ohne Gewicht – die Stange wiegt ja auch schon 20 kg!“
- „Ein gutes Training dauert nicht länger! Und die Ausdauereinheiten legst du auf die anderen Tage!“
- „Jungs, helft der Dame mal! Aber zackig!“
- „Cooles Shirt hattest du letztens an! Hulk finde ich super!“
- Das war er also: Der Tag, an dem ich im Fitnessstudio meine Unschuld verlor.
Ich habe für Bein-Massagen mehr ausgegeben als für Drinks und Schuhe… Die Geräte, an denen die schweren Jungs trainierten, habe ich gekonnt ignoriert und nicht ansatzweise für mich in Erwägung gezogen. Bis vor circa einem Jahr meine Freundin mit Krafttraining anfing. Und plötzlich hatte ich das Gefühl, nichts anderes mehr zu sehen: Frauen mit Sixpack bei Instagram, Foodblogs, die sich mit Clean Eating befassten und mittendrin ich, die nicht fassen konnte, dass sie erst jetzt auf das schmale Brett kommt, es in die Hand zu nehmen. Besser gesagt in die Hantel!
„Kein Crosstrainer – Ich will trainieren wie ein Mann“
sagte ich zu dem Trainier im Fitnessstudio ein wenig zu selbstbewusst, als ich ihn bat, mir einen Plan zu schreiben. Was dann passierte, überraschte mich zutiefst. Er fing an, über das ganze Gesicht zu strahlen und rief
„Halleluja! Endlich! Ihr Frauen müsst an die schweren Geräte – genau wie die Männer. Endlich schnallt ihr es!“
Als wir die Treppe zum Freihantel-Bereich empor stiegen, verließ mich mein Selbstbewusstsein aber prompt wieder. Keine Frau weit und breit. Dafür eine Menge stöhnender und ächzender Männer, die mit 25kg-Scheiben hantierten, wie ich mit meinen Ikea-Tellern.
„So, Inga, dann schauen wir mal, wie viel Kraft du schon hast!“
Und zack: ALL EYES ON ME! Ich kam mir vor wie ein Eindringling. Fußball, Stammtisch, …Männer haben kaum noch Plätze, an denen sie unter sich sind und jetzt reißen wir uns auch noch die Hantelbank unter die manikürten Nägel. Dabei kam ich doch in Frieden…Egal, weiter im Text:
Da stand ich nun in meiner alten Laufhose mit dem Loch am Knie (ich fiel mal beim Joggen in eine Baustelle – fragt lieber nicht), meinem abgeschnittenen Hulk-Shirt (mein Bruder bedruckte es für mich zum Geburtstag) und abgewetzten Asics (wie gesagt, ich lief mir bis dahin einen Wolf). Mein Trainer zeigte auf eine Bank und faselte irgendwas von Bankdrücken und nahm alle Scheiben von der Stange.
„Erst mal ohne Gewicht – die Stange wiegt ja auch schon 20 kg!“
Alright, ich hätte mich nicht noch uncooler und schwächer fühlen können als in diesem Moment. Aber wem wollte ich denn hier was beweisen? Wieso verdammt, will man an Tag eins bereits wie ein Profi nach zig Jahren rüberkommen? Das ist alles nur in meinem Kopf…
„Handgelenke fixiert, anheben und die Stange bis knapp über das Brustbein absenken! Erst muss die Technik stimmen und dann kannst du irgendwann Gewicht drauf packen, hörst Du?!“
Klare Ansagen – das gefiel mir sofort. Es ging weiter mit Triceps, Latzug und Klimmzügen. Und plötzlich schaute ich auf die Uhr und sah, dass das Training gerade mal 45 Minuten in Anspruch nahm. Normalerweise hätte ich jetzt noch 35 Minuten Joggen vor mir – Krass!
„Ein gutes Training dauert nicht länger! Und die Ausdauereinheiten legst du auf die anderen Tage!“
Wir verabschiedeten uns und ich ging Richtung Umkleide und plötzlich breitete sich ein Gefühl in mir aus, dass total abgefahren war: Mein Rücken streckte sich, meine Arme waren ganz heiß von innen und mein Kopf völlig frei. Ich war verliebt. Und zwar in schwere Gewichte!
Zwei Tage später platzte ich fast vor Motivation, packte meine Tasche und kam mir vor, als würde ich nicht den Rucksack aufsetzen, sondern mit meiner Schultüte loslaufen – so aufgeregt war ich. Ich ging zum ersten Mal ganz alleine auf „die Fläche“. Teilweise waren es die gleichen Männer wie vor zwei Tagen. Sie beäugten mich auch dieses Mal. Ich hatte mir in der Zwischenzeit ein Paar Trainingshandschuhe gekauft und kam mir jetzt leider vor, wie der absolute Streber. Ich hielt mich an meinem gefalteten Trainingsplan wie an einem Rettungsanker fest und trug ihn von Gerät zu Gerät. Letzte Station: Beinpresse. Ich begann, die zahlreichen 20kg-Scheiben vom Vorgänger abzuräumen als plötzlich jemand aus der Ferne rief
„Jungs, helft der Dame mal! Aber zackig!“
Und ehe ich mich versah, hatte ich keine Muskelberge, sondern ein ganzes Biceps-Gebirge um mich herum, das mir zuzwinkerte und gentleman-like die Scheiben abräumte.
„Cooles Shirt hattest du letztens an! Hulk finde ich super!“
Die Situation war zu obskur und so vergaß ich kurz wie Sprechen geht und nickte und lächelte lediglich, stellte die Beinpresse ein und fing an zu drücken…
Das war er also: Der Tag, an dem ich im Fitnessstudio meine Unschuld verlor.
Und das gleich mit mehreren Männern auf einmal. Aber hey, #yolo – you only lift once, haha! To be continued…
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